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wie insekten in einer schautafel - interview mit rubberqueen mona

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Wie Insekten in einer Schautafel aneinandergereiht und mit immer neuen Namen versehen

Ein Gespräch mit RubberQueen Mona über die Hauptthesen aus Sexualität und Wahrheit von Michel Foucault.

Rubber-Queen Mona arbeitet professionell in Deutschland als FemDom im Bereich Fetischescort oder in entsprechenden Studios. In ihrem vielfältigen Alltag tritt sie als russische Agentin im Verhör, als behandelnde Latexschwester oder auf Wunsch auch im Hinterhalt während eines Kidnappings auf.

Ihr Hauptmaterial bei der Schaffung und Belebung der Figur des Fetisches ist Latex. Rubber-Queen Mona bezieht diesen Stoff spielerisch in ihre unberechenbare Darstellung zwischen Betörung und strenger Erziehung ein.

Der Wissenschaftler Michel Foucault war Philosophieprofessor unter anderem am Collège de France. Neben den gehaltenen Vorlesungen an den verschiedenen Universitäten hat er in der Forschung auf seinem Hauptgebiet zur Macht der Biopolitik gearbeitet. Die Biopolitik ermöglicht und verwaltet das Leben. Anhand konkreter Themen wie dem Wahnsinn, der Psychiatrie, dem Gefängnis und der Sexualität versuchte Foucault die vorherrschenden Machtdiskurse zu erkennen und zu benennen. In seinem Projekt rund um die Sexualität studierte Foucault die Errichtung einer Normalität mit Hilfe von Diskursen innerhalb der Gesellschaft. Der erste Band Der Wille zum Wissen erschien 1977 und war eine grundlegende theoretische Einführung zum Dispositiv der Sexualität. Das Dispositiv selber definierte Foucault als eine Wucherung, die zu einem Netz von Machtmechanismen gehört, das sich sowohl diskursiv (Verständnis von Wirklichkeit) als auch praktisch-politisch zeigt. Ursprünglich hatte Michel Foucault sechs Bände zu Sexualität und Wahrheit geplant. In Folge überarbeitete er sein Konzept und es erschienen die Bände Der Gebrauch der Lüste (1986) und Sorge um sich (1986), die beide aus einer Sammlung von kommentierten historischen Quellen bestehen (Schneider 2004, 145.).

In einem Interview mit Radio France im März 1975 sagte Michel Foucault, dass der Akt der Liebe eine Machtbeziehung sei, die erotisch aufgeladen wird. Befehle erteilen und Befehle zu erhalten stelle eine Quelle der Lust dar. Foucault selber bewegte sich im Umfeld der schwulen S/M-Szene und war fasziniert von dem Paradox der Lust in Verbindung mit Schmerz und Gewalt als Grenzüberschreitung (Sarasin 2005, 148).

Mona, was denkst du, warum sind Machtbeziehungen eine Quelle der Lust?

„Ich werde jetzt vor allem von Machtbeziehungen von SM- ler sprechen. Es gibt Beziehungen mit indirekten sexuellen Komponenten und Beziehungen mit direkten sexuellen Komponenten. Machtbeziehungen wie diese zum Beispiel im Job zwischen einer Sekretärin und einem Chef besteht, sind eigentlich eher indirekt. Die SM-ler haben Machtspiele, in denen die Sexualität direkt und prominent verankert ist. Doch wie mit dem Begriff Spiel bereits erwähnt wurde, sind diese Beziehungen freiwillig gewählt. Wichtiger Inhalt der SM -Praktik sind die Kontrolle der Femdom in Verbindung mit dem Kontrollverlust des Kunden. Dieses Spiel mit der Kontrolle einerseits und dem Verlust der Kontrolle andererseits setzt auch Vertrauen des Kunden voraus. Und gerade dieses Vertrauen ist eines der wichtigsten und gleichzeitig intimsten Elemente des SM. Und diese Intimität erzeugt die Lust.“

Im ersten Band von Sexualität und Wahrheit beschrieb Foucault den modernen Staat im 18. Jahrhundert, der die Bevölkerung als Ressource und Quelle von Reichtum entdeckte und sich deshalb für ihre Reproduktion zu interessieren begann. Der Sex wird zu einer Angelegenheit der Polizei (Sarasin 2005, 161). Dabei kam es zu einer Kontrolle des Sexes der Bevölkerung, deren Form aber komplexer war als eine simple Repression mit Verboten und Strafen. Mit Hilfe der Disziplinierung und Regulierung der Bevölkerung und deren Körper, entstand ein Sexualitätsdispositiv. Dieses Dispositiv verwaltete als ein Teil der Macht die Sexualität und fügte die Sexualität in Nützlichkeitssysteme, die mithalfen das Leben zu organisieren (Fink- Eitel 1989, 86). In Folge davon entstanden spezifische anerkannte Typen von Sexualitäten wie die Sexualität des Kindes, Homosexualität oder Fetischismus. Diese Typen von Sexualität wurden direkt mit den Individuen in Verbindung gebracht und an deren Körper festgemacht. Das heisst, die verschiedenen sexuellen Verhaltensweisen wurden aus dem gesamten Spektrum der Sexualität unterschieden, isoliert, intensiviert und wieder in den menschlichen Körper sichtbar einverleibt. Das heisst wiederum, dass die Sexualität an ein bestimmtes Alter gekoppelt wurde, an eine Gruppe oder einen Geschmack. Für jede Art der Sexualität entstanden spezielle Orte der Befriedigung (Foucault 1979, 64). Nach den Beschreibungen von Foucault wurde zum Beispiel der Fetischismus aus dem Gesamtbereich der Sexualität isoliert und seither gibt es Orte, wo diese Art von Sexualität ausgelebt werden kann.

Mona, was denkst du über Foucaults These, dass mit der Isolierung bestimmter Sexualtypen von der gesamten Sexualität (und die damit verbundene Zuweisung an bestimmte Orte) eine Disziplinierung resp. Regulierung der Menschen stattfinden kann?

„Meine Meinung ist, dass es viele verschiedene Arten von Sexualität gibt und im Grunde genommen jede Sexualität ein Unikat ist. Ein Beispiel dafür ist die Homosexualität, die eigentlich viele Komponenten hat. Es gibt Homosexuelle, die in einer absolut monogamen Beziehung leben. Es gibt solche, die mehrere Sexualpartner haben oder die SM oder Fetisch praktizieren. Die Sexualitäten oder die Unikate können nicht durch Machteinflüsse von Aussen geschützt werden. Beispielsweise bestimmt die Mehrheit, was „normal“ ist und was richtig ist oder was toleriert oder diskriminiert wird. Nach dieser Beobachtung hatte Foucault eigentlich recht wenn er sagte, dass die Definition der Sexualität und die Schaffung von Kategorien mithilft, die Sexualität zu kontrollieren. Jede Sexualität ist ein Unikat und kann nicht in einen Topf mit anderen geworfen werden. Aber trotzdem gibt es eine Gruppe, die bestimmt was beispielsweise normal ist und was nicht. Und was dann nicht normal ist, wird weniger akzeptiert und diskriminiert.“

Die Sexualität befindet sich in einer Verwaltungsprozedur und wird mit Hilfe der Analyse durch nützliche und öffentliche Diskurse geregelt (Foucault 1979, 37). Mit ökonomisch- verwaltungstechnischen Bemühungen wurde die Bevölkerung seit dem 18. Jahrhundert administrativ erfasst. Es wurden Daten über Geburt und Tod, über die Lebensdauer und die Gesundheit und auch über die Sexualität gesammelt. Die Wissenschaften hatten begonnen, Register über sexuelle Lüste zu erstellen. Die damit entstehende endlose Vermehrung sexueller Verhaltenstypen ist Teil bestimmter Machtprozeduren (Marti 1988, 98-100). Foucault beschreibt, dass sich um den Sex herum ein Apparat konstruiert hat, der Wahrheit produziert. Dieser Vorgang ist eine Produktion, weil wie oben beschrieben wurde, die Sexualität an sich eigentlich ganzheitlich ist und durch das Sexualdispositiv in einzelne Teile auseinander genommen wird. Diese neuen Verhaltenstypen werden analysiert und ein Wissen davon künstlich produziert. Die so geschaffene Wahrheit wird aber sogleich wieder verhüllt, bevor sie emanzipatorisch oder befreiend wirken könnte (Foucault 1979, 73). Das heisst, dass das Wissen sogleich für die nützliche Organisation der Bevölkerung angewendet wird. Die produzierten Fakten helfen zum Beispiel mit, Mittel zur Unfruchtbarkeit oder Fruchtbarkeit zu finden oder liefern Informationen zu den Wirkungen von Verboten und Zulassungen von Sexualität (Foucault 1979, 38).

Mona, wie stehst du zu dieser Informationsoffenheit, in der zum Beispiel im Fernsehen in Talk-Shows ohne Tabu über viele Facetten der Sexualität gesprochen wird? Denkst du, dass zum Beispiel die Sexualität der Jugendlichen bereichert wird, wenn sie in der Zeitschrift Bravo detaillierte Anleitungen über Doggy-Style oder die Beinschere finden?

"Ja, heute findet man überall in der Öffentlichkeit Informationen oder Darstellungen zur Sexualität. Gerade diese Präsenz des Sexuellen ist nicht bereichernd - man wird fast schon „sexuell bombardiert“. Meiner Meinung nach führt diese Informationsoffenheit nur zur sexuellen Abstumpfung der Menschen. Weiter vermag diese Offenheit mit ihren präventiven Anstrengungen wichtige Probleme wie Jugendschwangerschaften oder sexuell übertragbare Krankheiten nicht zu lösen. Auch habe ich selbst festgestellt, dass die öffentliche Diskussion über Fetischismus oder SM- Praktiken bei den „Normalbürgern“ nicht zu einer wirklichen Aufklärung geführt hat. Es gibt immer noch nicht eine wahre Akzeptanz gegenüber dieser Sexualität."

In Foucaults Sexualuniversum hat die Macht die Funktion, in einer endlosen Spirale den Zwang, die Lust und die Wahrheit aneinander zu binden (Foucault 1978, 98). Die Macht selber ist aber nicht eine Institution, nicht eine Struktur und auch nicht eine Elite. Nach Foucault ist die Macht eine komplexe strategische Situation in einer Gesellschaft. Die Machtverhältnisse werden mithilfe von Dispositiven geschaffen (Schneider 2004, 139).

Mona, du bist eine Machtexpertin (in deinem Berufsalltag). Wie sieht für dich die Macht im Bereich FemDom und Kunde aus? Was hältst du von Foucaults Definition der Macht, die unpersönlich ist, schwer zu fassen und im Grunde genommen ein Netz aus vielen Anschauungen und Deutungen (Verständnis der Wirklichkeit) besteht, wobei sich dann die dominierenden Anschauungen durchsetzen?

„In meinem Berufsbereich wird die Macht zwischen der Domina und dem Kunden künstlich in einem Spiel erzeugt. Interessanterweise ist die Machtkonstellation vor dem Spiel so, dass eher der Kunde den Ablauf bestimmt, indem er seine Wünsche dazu äussert. Die Domina richtet sich, soweit diese Wünsche nicht ihre Grenzen verletzen, nach den Vorgaben des Kunden. Im Spiel selber gibt der Kunde die Kontrolle der Situation an die FemDom ab. Diese Abgabe der Kontrolle symbolisiert und manifestiert den Machtverlust des Kunden. In der Gesellschaft ist die Macht schwieriger zu erkennen. Ich weiss nicht, ob wie bei Foucault beschrieben, die Sprache und die Definition der Dinge so zentral sind. Meiner Meinung nach hat vor allem die Ökonomie sprich das Geld Macht. Der Handel und die Wirtschaft sind in vielen Bereichen der Gesellschaft dominierend und präsent. Doch auch immer wichtig ist der Intellekt, das heisst Wissen, Strategien und die Organisation. Ohne diesen Intellekt kann das Geld seine Macht nicht richtig ausbauen und entfalten. Wichtig ist aber abschliessend, dass jedes funktionierende und nicht funktionierende Staatssystem mit Macht arbeitet.“

Foucault sprach in seinem Werk Sexualität und Wahrheit nicht vom Zustand des sexuellen Elends, das eigentlich durch die Repression, die Disziplinierung und die Regulierung verursacht wird. Im Gespräch Nein zum König Sex, das die Zeitung Le Nouvel Observateur 1977 mit Michel Foucault über den ersten Band von Sexualität und Wahrheit geführt hat, erklärte er, dass in seinen Studien die Anklage der sexuellen Unterdrückung durch die Analyse des Konstruktes der Sexualität ersetzt wird. Wie Marx und Engels bei ihrer Studie zum Kapital, wich die Empörung der Analyse der Machtverhältnisse. Der Kapitalismus kann sich ohne Ausbeutungsverhältnisse und der damit verbundenen Mehrwertproduktion nicht entwickeln. Als Gegenbeispiel dazu kann die Biopolitik ihre Macht nicht entfalten, ohne die konstruierte Sexualität zu kontrollieren (Foucault 1978,180). Im dritten Band von Sexualität und Wahrheit beschrieb Foucault die Selbstkultur in Form der Sorge um sich der Ritter, Adligen und Senatoren im Hellenismus und in der spätantiken Welt. Sie suchten nach Wegen und Möglichkeiten, wie sie ihr Leben möglichst frei und unabhängig führen konnten. Mit Hilfe von entsprechenden Praktiken, Übungen und dem Austausch mit anderen wurde versucht, eine neue Ästhetik der Existenz zu suchen oder an der Entwicklung der Kunst des Lebens zu arbeiten (Ruffing 2008, 96). Foucault deutete diese Suche einerseits als Disziplinierung, bei der gefährliche Triebe und Verhaltensweisen ausgemerzt werden. Andererseits erhoffte er sich mit der Sorge um sich eine emanzipatorische Möglichkeit, das sexuelle Elend schmälern zu können.

Mona, wie würdest du persönlich eine Vision von „Sorge um sich“ formulieren, die mithelfen könnte, das Leben und damit die Sexualität freier zu gestalten?

"Meine Vision ist „leben und leben lassen“. Das heisst, das ich mir selber keine Grenzen von Aussen wie zum Beispiel der Gesellschaft stecken lasse. Ich versuche mich nur von mir selber, das heisst meinen Wünschen und vor allem meiner Lust leiten zu lassen. Diese Lust verändert sich ja auch immer wieder. Dieses Recht „seine Sexualität zu leben“ möchte ich auch den Anderen zugestehen. Zudem bietet die Toleranz auch die Chance die anderen Sexualitäten kennen zu lernen. Das heisst, ich habe Einblicke in die Andersartigkeit der Lust und auch in deren Abgründe. Und gerade diese Abgründe, die dunklen Phantasien sind nicht nur interessant sondern auch bereichernd."

Quellen:

  • Fink- Eitel, Hinrich (1989). Foucault. Zur Einführung. Hamburg: SOAK im Junius Verlag.

  • Foucault, Michel (1978). Dispositive der Macht. Über Sexualität, Wissen und Wahrheit. Berlin: Merve Verlag.

  • Foucault, Michel (1979). Der Wille zum Wissen. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag.

  • Marti, Urs (1988). Michel Foucault. München: C.H. Beck`sche Verlagsbuchhandlung.

  • Ruffing, Reiner (2008). Michael Foucault UTB Profile. Paderborn: Wilhelm Fink Verlag GmbH und Co.

  • Sarasin, Philipp (2005). Michael Foucault. Zur Einführung. Hamburg: Junius Verlag GmbH.

  • Schneider, Ulrich Johannes (2004). Michel Foucault. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft.

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«Das Gesellschaftssystem wird demnach nicht durch ein bestimmtes Wesen, geschweige denn durch eine bestimmte Moral (...) charakterisiert, sondern allein durch die Operation, die Gesellschaft produziert und reproduziert. Das ist Kommunikation.»

Luhmann, Niklas (1998): Die Gesellschaft der Gesellschaft. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 70.