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soziologie für manager

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Zur Relevanz soziologischer Theorien bei Managemententscheidungen

Die zunehmende Komplexität der modernen Gesellschaft, neu aufkommende Problematiken nach Lösungen erfordern immer öfter eine enge Zusammenarbeit unterschiedlicher Wissensgebiete. Die starke Beeinflussung des Geschehens auf der Welt durch das ökonomische System macht Untersuchungen von dessen Wirkungen auf die Gesellschaft unumgänglich. Die Erforschung der Anwendbarkeit und der Zusammenhänge soziologischer und ökonomischer Theorien auf die Entscheidungsfindung im Management stellt daher einen möglichen Verknüpfungspunkt dieser Gebiete dar.

SOZ-MAG Beitrag von Titus Litynski

Paradigmen der Soziologie scheinen in mancher Hinsicht den Interessen des modernen Wirtschaftsystems zu widersprechen, was allzu oft nicht nur zu einer unterschiedlichen Sicht der Realität durch die Vertreter der beiden Wissenschaften führt, sondern sich bisweilen auch in erheblichen Spannungen und persönlicher Abneigung gegenüber der anderen Denkrichtung äussert. Da es sich jedoch nicht verneinen lässt, dass die Gesellschaft und die darin stattfindenden Prozesse nicht unwesentlich durch ökonomische und politische Überlegungen beeinflusst werden, könnte eine Betrachtung dieser Zusammenhänge das Verständnis der verschiedenen Motivationen sowie einen konstruktiven Dialog fördern.

Der genannte Grundgedanke bildet die Ausgangslage der Untersuchung von ausgewählten Theorien der Soziologie und der Ökonomie, welche ihre praktische Anwendung im Entscheidungsalltag des oberen Managements von grossen Unternehmen finden. Dies ist für die Soziologie vor allem deshalb von Interesse, da die Entscheidungen grosser, multinationaler Unternehmen über Kostenreduktionen, Entlassungen oder Investitionen deutliche Auswirkungen auf die Gesellschaft einer ganzen Region haben können. Schliesst beispielsweise eine Unternehmung diverse Standorte oder reduziert sie die Zahl der Angestellten massiv, so kann eine erhebliche Belastung des gesellschaftlichen Systems im Bezug auf Arbeitslosigkeit, oder die Attraktivität der Region für die Bevölkerung und somit die Zufriedenheit der Menschen innerhalb ihres Lebensraumes entstehen. Dies lässt sich natürlich auch auf das System eines ganzen Landes ausweiten, wenn zum Beispiel durch eine einseitige und Gesetzgebung die Investitionen und somit die Arbeitsplätze reduziert werden und eine landesweite ökonomische Stagnation droht. Es ist also durchaus im Sinne eines nachhaltig gestalteten und gleichmässig verteilten Wohlstandes, die Anliegen von Soziologie und Ökonomie in einem sinnvollen Verhältnis zu respektieren.

Gegenseitiges Übersehen und das Entstehen der Wirtschaftssoziologie

Die Idee einer integrierten Betrachtungsweise von soziologischen und wirtschaftlichen Phänomenen wird erst seit relativ kurzer Zeit in die Praxis umgesetzt. Bekannte Persönlichkeiten der wissenschaftlichen Diskussionen in Soziologie und Ökonomie wie Max Weber (1864-1920), Vilfredo Pareto (1848-1923) oder Joseph A. Schumpeter (1883-1950) wandten sich gegen eine Vermischung der jeweiligen Fragestellungen. Diese in der Vergangenheit durchgeführte Aufspaltung der aus der heutigen Sicht zusammenhängenden Bereiche, liess die wichtigen Aspekte der Ökonomie innerhalb der Soziologie, und umgekehrt, übersehen. Die Soziologie wurde ausschliesslich auf das nicht-rationale und nicht-logische Denken und Handeln beschränkt, die Wirtschaftswissenschaft hingegen auf das rein zweckrationale und logische. Dadurch entstand ein Abbild der Gesellschaft ohne Wirtschaft und ein Wirtschaftsdenken, welches die gesellschaftliche Realität übersah. Aus diesen Gründen formierte sich im Laufe des frühen 20. Jahrhunderts die Wirtschaftssoziologie als Teilbereicht der Sozialwissenschaften, welcher versuchte, bei den entstehenden Theorien die Grundzüge von Wirtschafts- und Gesellschaftsforschung einzubringen.

Im Folgenden sollen sich in vier Teilen jeweils eine Theorie aus den Wirtschaftswissenschaften und aus der Soziologie gegenüber gestellt werden. Die Theorien sind so gewählt, dass jedes Paar sich auf dasselbe oder ein ähnliches Forschungsfeld des jeweiligen Wissensgebietes bezieht, was einen Vergleich erst sinnvoll macht.

Der Homo Oeconomicus mausert sich zum Homo Sociologicus

Geht man zunächst von einer Unterscheidung der zwei Grundmodelle von Unternehmungen aus, nämlich der Eigentümer-Unternehmung (älteres Modell) und der quasi-öffentlichen Institution (moderne Sichtweise), so lässt sich dieser Unterschied mit dem Konzept des Homo Sociologicus (nach Ralf Dahrendorf) und des Homo Oeconomicus, wie ihn Vilfredo Pareto charakterisiert hat, relativ gut verdeutlichen und untersuchen.

Die alte Vorstellung der Eigentümer-Unternehmung baut auf die Eigenschaften des Homo Oeconomicus auf, indem für Entscheidungen nur mathematische Methoden und rationale Überlegungen beigezogen werden, ohne die menschliche Komponente zu berücksichtigen. Betrachtet man die Berichte von Unternehmen und die Kommentare zu gefassten Entscheiden, so wird deutlich, dass Wirtschaftswelt immer noch durch diesen Ansatz geprägt ist. Durch Zusammenschlüsse von Arbeitnehmern zu Gewerkschaften haben diese zwar auch eine stärkere Stimme in den Diskussionen mit den Geschäftsleitungen erhalten, können aber in den meisten Fällen Entscheide nur geringfügig beeinflussen.

Im Gegensatz dazu bietet der Ansatz des Homo Sociologicus innerhalb der neuen Betrachtungsweise von Unternehmen als quasi-öffentlichen Institutionen viele Aspekte, welche in der Zukunft vermehrt Berücksichtigung finden könnten. So wird dabei von einer soziologischen Sicht auf die Gesellschaft eingegangen, wodurch die Anliegen und Probleme der Menschen, welche innerhalb der Wirtschaft tätig sind, deutlich werden. Die Fähigkeit, gemäss Dahrendorfs Forderung die Realität aus verschiedenen Blickwinkeln zu sehen, ermöglicht ein genaueres Abwägen und eine bessere Berücksichtigung diverser gesellschaftlicher Faktoren, wodurch Fehleinschätzungen und nicht praktikable Entscheide vermindert werden können.

Spüren was der andere will- Kompetente Unternehmensführung

Eine weitere interessante Verbindung von zwei Theorien lässt sich zwischen George H. Meads 'symbolischem Interaktionismus' und dem Konzept des normativen Managements finden. Gemäss den Überlegungen von Mead stimmt der Mensch sein eigenes Handeln auf die zu erwartenden Reaktionen anderer Individuen ab und leistet dadurch unbewusst eine beträchtliche Vergleichs- und Analysearbeit der verschiedensten Hinweise und Zeichen des Anderen. Zudem ist er fähig, die wahrscheinlichste Reaktion seines Gegenübers vorauszusehen und seine eigenen Handlungen gemäss diesen Informationen zu antizipieren. Die Auseinandersetzung mit dem eigenen Umfeld wird dadurch mehr als notwendig. Es werden Ziele gesetzt und die dazu nötigen Strategien und Vorgehensweisen erarbeitet, welche die grösstmöglichen Erfolgsaussichten bieten. Das Abwägen von realistischen Vorgaben und einer ensorechenden Taktik zeichnet einen wichtigen Teil der menschlichen Denkweise aus. Zudem postuliert Mead, dass viele Informationen keine explizite Form haben, sondern symbolisch vermittelt werden. Das Ausmass und die Art, wie sie verstanden werden, hängen vom Verständnis der einzelnen Symbole durch den Empfänger ab.

All diese Eigenschaften lassen sich auch auf die wichtigsten Ideen des normativen Managements übertragen. So dreht sich auch dieser Ansatz um das Ausarbeiten grundlegender Strategien, die ein Unternehmen an die aktuellen Anforderungen, wie sie sich durch verschiedene Analysen herauskristallisieren, anpassen.

Es ist also ein langfristiges Reaktionsverfahren für eine ganze Organisation, welches einen wesentlichen Einfluss auf die zukünftige Entwicklung hat. Werden nämlich die Weichen an der Basis so gestellt, dass die von Aussen eintreffenden Informationen möglichst komplett berücksichtigt werden, so kann dem Unternehmen eine theoretisch optimale Überlebensfähigkeit auf dem Markt zugesichert werden. Zudem sind auch in diesem Falle nicht alle Informationen in Form von Werten oder Finanzzahlen vorhanden, sondern nur indirekt durch eine Beobachtung des gesamten unternehmerischen Umfeldes, sei es innerhalb oder ausserhalb der Wirtschaft, zu gewinnen.

Nur eine vollständige Berücksichtigung und eine angemessene Gewichtung von ausserwirtschaftlichen Faktoren, welche heutzutage oft über weite Strecken übergangen wird, garantiert eine nachhaltige und sich positiv auswirkende Übereinstimmung von wirtschaftlichen mit gesellschaftlichen Anforderungen und den Strukturen und Entscheidungen innerhalb des Betriebes. Zudem ist das Umfeld eines Unternehmens gemäss dem Ansatz des normativen Managements inhomogen und durch verschiedene Faktoren beeinflusst. Dies erfordert eine grosse Flexibilität und Sensibilität für Anliegen und Ansprüche verschiedener Einflussgruppen. Eine kompetente Unternehmensführung sollte deswegen die verschiedenen ausserwirtschaftlichen Bereiche, welche einen Einfluss auf die Unternehmung haben, auch fachlich abdecken können.

Das Gremium für Unklarheiten und Konflikte

Zwei konkrete Aspekte, welche einen sich ergänzenden Zusammenhang aufweisen, beziehen sich auf die Funktionen und Strukturen innerhalb eines Unternehmens. Zum einen geht die Organisationssoziologie auf Aspekte der Zusammenarbeit von Menschen zum Zwecke einer im Voraus festgelegten und genau definierten Zielerreichung ein. Die dazu nötigen Strukturen und die Definitionen von Aufgaben und Positionen dienen der klaren Pflichten- und Verantwortungsverteilung. Hierarchien und Machtverhältnisse wirken sich dabei sowohl auf die wirtschaftliche Arbeitsweise einer Organisation, als auch auf die sozialen Beziehungen und Interaktionen innerhalb derselben aus.

Um Konflikte, Unklarheiten sowie die daraus entstehenden Misserfolge zu vermindern, werden im Rahmen eines Managementsystems Abteilungen und Bereiche gegründet, welche dedizierte Aufgaben sowie die Verantwortlichkeit für deren Erfüllung übernehmen. Heutzutage werden die gebildeten Strukturen nicht mehr nach fixen und vordefinierten Mustern aufgebaut, sondern an die spezifischen Gegebenheiten und Vorgaben jeder einzelnen Organisation definiert. Diese Vorgehensweise ist als der 'situative Ansatz' bekannt und zeichnet sich dadurch aus, dass er die verschiedenen Systeme, welche für ein korrektes Funktionieren notwendig sind,integriert. Dabei wird die Flexibilität sehr betont, d.h. die vorhandenen Strukturen und Abläufe lassen sich gemäss neu aufkommenden Anforderungen anpassen.

In diesem Bereich leistet der Ansatz der Organisationssoziologie dadurch seinen Beitrag zu einem besseren Verständnis des sozialen Gefüges in einer Organisation, indem er die einzelnen Zusammenhänge von Machtstruktur, Über- und Unterordnung und gegenseitiger Abhängigkeit berücksichtigt. So müssen gemäss Mayntz (1963) alle Organisationseinheiten in das Gesamtbild der sozialen Struktur mit einbezogen werden, wodurch die Kommunikation und das institutionelle Lernen für die Organisation insgesamt sehr wichtig werden. Nur durch direkte Wege der Informationsvermittlung, welche ein rasches und präzises Ankommen der Information garantieren, lässt sich beispielsweise die Planung und die Kontrolle von Prozessen durchführen, wie sie im Rahmen des Managementsystems gefordert wird. Die einzelnen Systeme wie Personal- und Führungssystem, Controlling-System oder Informationssystem müssen, trotz oder gerade wegen ihrer unterschiedlichen Aufgabengebiete und der daraus entstehenden Gefahr eines völlig autonomen und unkooridierten Handelns, in die Ganzheit des Unternehmens integriert werden. Dies lässt sich beispielsweise durch koordinierende Gremien bewerkstelligen, welche einen kompletten Überblick über die Funktionen der anderen Bereiche haben und bei denen jeder Bereich vertreten ist.

Manager unter Entscheidungsdruck

Die letzten zwei Theorien, welche an dieser Stelle verglichen werden sollen, charakterisieren sich durch ihre Fokussierung auf Gruppen, welche in einem mehr oder weniger engen Verhältnis zum Unternehmen stehen. So bezieht sich der Stakeholder Ansatz auf Anspruchsgruppen und deren Wirkung auf die Entscheide der Unternehmensleitung. Der Begriff des Rollensets und die Konflikttheorie Mertons (1968) beschreiben in einem ähnlichen Zusammenhang, wodurch Erwartungen von Gruppen und Individuen charakterisiert sind und welche Konsequenzen die Nicht-Erfüllung dieser Erwartungen haben kann.

Geht man von der Position eines unterschrifts- und somit entscheidungsberechtigten Managers aus, so werden Forderungen an seine Funktion in Form von Musserwartungen gestellt und bündeln sich in ihrer Gesamtheit zu einem Rollenset, welches seinen Handlungsraum und seine Handlungsfreiheit definiert, aber auch einschränkt. Er orientiert sich dabei an Bezugsgruppen, welche ihre Anliegen an seine Position herantragen, obwohl bei weitem nicht alle die gleiche Gewichtung bekommen. Wichtig ist zu bemerken, dass sowohl die Bezugsgruppen als auch die Anspruchsgruppen, welche gemäss des Stakeholder-Ansatzes eine stärkere Wirkung auf die Entscheidungen haben, nicht zwingend aus dem Bereich der Ökonomie stammen müssen, sondern auch ausserwirtschaftliche Gruppen aus Politik, Rechtsprechung, Medien, Ökologie oder Gewerkschaften sein können. Insgesamt muss also das Vorgehen einer Unternehmensleitung, welches dem Stakeholder-Ansatz entsprechen soll, die verschiedenen zu Rollensets gebündelten Erwartungen von Anspruchsgruppen an die Entscheidungsträger berücksichtigen. Gelingt dies, so können grössere Konflikte vermieden werden, welche andernfalls nicht nur die Effizienz des Unternehmens senken, sondern auch dessen Image in der Gesellschaft schädigen. Vor allem für traditionsreiche Firmen ist dies ein nicht unwesentlicher Aspekt bei der Erarbeitung von Richtlinien und Strategien.

Die soeben besprochenen Theorien und die Vergleiche in soziologischer und ökonomischer Hinsicht zeigen deutlich, dass es sehr wohl stichhaltige Berührungspunkte dieser beiden Wissenschaften gibt. Das allgemeine Ziel sollte es aber sein, diese Zusammenhänge nicht nur theoretisch zu beschreiben, sondern auch in der Praxis erkennen zu können. Dies ist besonders wichtig, wenn Spannungen zwischen soziologischen und wirtschaftlichen Argumentationen zu einem wenig konstruktiven Einsatz der vorhandenen Zeit und der knappen Mittel führen, welche konkret zu einer zielgerichteten Problemlösung eingesetzt werden könnten.

Tytus Litynski studiert an der Universität Basel Soziologie im Hauptfach, sowie Betriebswirtschaft und Kommunikations- und Medienwissenschaften in den Nebenfächern. Der vorgelegte Text stellt eine kurze Zusammenfassung seiner Lizenziatsarbeit dar.

Literaturhinweise:

Dahrendorf, R.: Homo Sociologicus, 15. Aufl., Westdeutscher Verlag, Opladen, 1977
Hillmann, K-H.: Allgemeine Wirtschaftssoziologie – Eine grundlegende Einführung, Verlag Franz Vahlen GmbH, München, 1988
Mayntz, R.: Soziologie der Organisation, Rowohlt Verlang, Reinbek bei Hamburg, 1963
Merton, R.K.: Social Theory and Social Structure, enlarged edition, The Free Press, New York, 1968
Weber, M.: Wirtschaft und Gesellschaft, 5., rev. Aufl., Mohr Siebeck Verlag, Tübingen, 2002

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«Es waren fragmentarische Forschungen, von denen letztlich keine vollendet wurde, ja nicht einmal Folgen hatte, zugleich zerstreute [...]. All das schleppt sich hin, geht nicht vorwärts, wiederholt sich und bildet kein zusammenhängendes Ganzes; im Grunde sagt es beständig das Gleiche, doch sagt es vielleicht auch gar nichts aus. In zwei Worten: es ist nicht schlüssig.»

Michel Foucault (1977): Intervista a Michel Foucault, in: A. Fontana / P. Pasquino (Hg): Microfisica del Potere: Interventi plitici, Turin, S. 55f.