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soziologie.ch soz:mag#7 gehet hin und kopieret!

gehet hin und kopieret!

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Open Access und Creative Commons: zur Urheberrechts-Politik des soz:mag

Was unter Physikern bereits länger verbreitet ist, hält allmählich auch in anderen Fachbereichen Einzug: Der ungehinderte Austausch von wissenschaftlichen Artikeln. Während das CERN mit seinem Grid von Supercomputern auf dem besten Weg ist, die Infrastruktur des Datenverkehrs im Zusammenhang mit seinem neuen Teilchenbeschleuniger erneut nachhaltig zu verändern, ist die Wissenschaftsgemeinde damit beschäftigt, die institutionellen Voraussetzungen zu schaffen, um die Möglichkeiten des Internets besser auszuschöpfen. Die Rede ist vom Open Access Prinzip und Creative Commons - den "Teilchenbeschleunigern" der wissenschaftlichen Kommunikation.

SOZ-MAG Beitrag von Beat Estermann, im Namen der soz:mag-Redaktion

Der Informationsverkehr zwischen den Menschen macht seit rund zehn Jahren grundlegende Veränderungen durch, insbesondere unter dem Einfluss des Internets. Dieser Veränderungsprozess, welcher mitunter als die vierte grosse Revolution der Wissensproduktion und -weitergabe – nach der Erfindung der Sprache, der Schrift und des Buchdrucks – bezeichnet wird (cf. Harnad 1991), ist nicht nur auf neue technologische Entwicklungen zurückzuführen, sondern insbesondere auch speziellen gesellschaftlichen Arrangements bzw. rechtlichen Vereinbarungen zu verdanken, welche neuen Geschäftsmodellen den Weg bereiten. Das World Wide Web, wie wir es heute kennen, ist nicht zuletzt dadurch möglich geworden, dass sein Initiator Tim Berners-Lee und das CERN [1] – sein damaliger Arbeitgeber – auf Tantiemen an den von ihnen entwickelten Standards verzichteten. Aus ökonomischer Sicht ist beim Internet zunächst ein Phänomen zu beobachten, welches das Gegenstück zur Tragik der Allmende bildet: Es ist aus heutiger Sicht anzunehmen, dass jeder Versuch, die Grundstandards des World Wide Web proprietär auszugestalten – d.h. sich kurz- oder langfristig die Möglichkeit zu sichern, nach Belieben Nutzungsgebühren zu erheben – das Entstehen eines breit genutzten weltumspannenden Informations-Netzwerkes vereitelt hätte.

Wie die meisten wissenschaftlichen Zeitschriften bedient sich auch das soz:mag der neuen Möglichkeiten des Internets. Dies gilt nicht nur für den E-Mail-Verkehr über Mailinglisten und die Verwendung einer Online-Plattform für die Abwicklung der Review-Tätigkeit und der redaktionellen Arbeit, sondern auch für die Verbreitung der Inhalte über das World Wide Web. Dabei ist gegenüber von traditionellen Kommunikations- und Vertriebsformen eine drastische Verminderung der Transaktionskosten zu beobachten. Ohne diese Verringerung des Kommunikationsaufwands wäre der Austausch zwischen Soziologie Studierenden der verschiedenen Schweizer Universitäten, wie er im Rahmen von soziologie.ch gepflegt wird, kaum denkbar. Dasselbe gilt für die relativ dezentrale Funktionsweise der soz:mag-Redaktion.

Open Access – Revolution der wissenschaftlichen Kommunikation

Es dürfte kaum erstaunen, dass das Internet gerade auch im Bereich der wissenschaftlichen Kommunikation massive Veränderungen bewirkt hat, ist es doch speziell zu diesem Zweck geschaffen worden. Der Informationsaustausch hat sich beschleunigt, dezentralere Organisationsstrukturen mit flacheren Hierarchien sind gängiger geworden und grössere kollaborative Unternehmen wurden überhaupt erst ermöglicht. Die Entwicklung von leistungsfähiger Hardware und offenen technischen Standards ist zwar Voraussetzung für diese neue Kommunikationskultur, doch kann das Potential des Internets im Hinblick auf neue Interaktionsformen nur ausgeschöpft werden, wenn Produktionsprozesse, Geschäftsmodelle und rechtliche Rahmenbedingungen entsprechend modifiziert werden. Dies geschieht oftmals im Trial-and-Error-Verfahren, wobei bisweilen Erstaunliches gelingt. Freie/quelloffene Software oder die Wikipedia [2] geben uns einen Vorgeschmack dessen, was das Internet in Zukunft punkto neuer Formen der Zusammenarbeit und der Produktion noch ermöglichen könnte – nicht zuletzt auch im Bereich der Wissensproduktion.

Was bei den Physikern schon länger gang und gäbe ist – das freie Bereitstellen von Beiträgen in Fachzeitschriften zur Erleichterung des Zugangs für alle, die über einen Internet-Zugang verfügen – könnte künftig auch in anderen Fachbereichen Einzug halten. Die Ampel steht auf «Grün», um es in Stevan Harnads Farbcode (siehe Kasten) auszudrücken: Die Grosszahl der akademischen Fachzeitschriften erlaubt es den Autoren, Postprints von ihren Artikeln unentgeltlich online zugänglich zu machen. Einige Autoren machen von dieser Möglichkeit auch Gebrauch. Noch verlangt aber kaum eine Universität, kaum eine öffentliche Institution für Forschungsfinanzierung von ihren Mittelempfängern, dass die Früchte der Forschung in Form von Beiträgen in wissenschaftlichen Fachzeitschriften auch öffentlich frei zugänglich gemacht werden. Dies mag erstaunen, sind doch gerade die Offenheit der wissenschaftlichen Forschung und die möglichst breite Zirkulation von Ideen seit der Renaissance wichtige Grundpfeiler der akademischen Forschung. Erstaunlich ist es nicht zuletzt auch angesichts der sich häufenden Hinweise, dass Artikel, die gemäss dem Open Access Prinzip im Internet frei zugänglich gemacht werden, häufiger zitiert werden [3]. Letzteres scheint denn neben den finanziellen Schwierigkeiten der Bibliotheken, welche sich die steigenden Abonnementkosten für Fachzeitschriften immer weniger leisten können, auch das schlagende Argument zu sein, welches die Bewegung rund um die „Berliner Erklärung über offenen Zugang zu wissenschaftlichem Wissen“ (siehe Kasten) ins Rollen gebracht hat. Ziel dieser 2003 ins Leben gerufenen Initiative ist es, den wissenschaftlichen Austausch und die Verbreitung von Wissen in der Gesellschaft durch den Übergang zum Open Access Modell zu verbessern und effizienter zu gestalten.

Creative Commons – eine Antwort auf die juristischen Herausforderungen

Das freie Zur-Verfügung-Stellen von Inhalten zur weiteren Verbreitung bzw. Bearbeitung ist in unserem Rechtssystem mit einigem Aufwand verbunden. Während einem die Urheberrechte als Autor eines Textes automatisch zufallen, ist es etwas komplizierter, sie in kontrollierter Form auch teilweise wieder abzutreten. Dazu bedarf es nämlich eines juristisch einwandfreien Vertrags – einer sogenannten Urheberrechts-Lizenz. Gerade im Internet-Zeitalter, wo das Vervielfältigen und Weitergeben von Texten ein Kinderspiel geworden ist und die Transaktionskosten dabei kaum mehr eine Rolle spielen, macht sich der juristische Aufwand umso stärker bemerkbar – sowohl bei den Rechteinhabern, welche die Lizenzbestimmungen formulieren müssen, als auch bei den potentiellen Nutzern, welche sich genötigt sehen, sich mit dem Kleingedruckten herumzuschlagen.

Das von Lawrence Lessig initiierte Creative Commons Projekt (siehe Kasten) schafft Abhilfe: Ein Set von online verfügbaren Standardlizenzen erlaubt es dem Rechteinhaber, die auf seine Bedürfnisse und das entsprechende Rechtssystem zugeschnittene Urheberrechts-Lizenz auszuwählen und mit geringem Aufwand sein Werk damit zu versehen, während die Nutzer dank leicht verständlichen Standard-Lizenzbausteinen problemlos die Übersicht behalten. Im Bereich der wissenschaftlichen Publikationen besteht der Vorteil von Creative Commons darin, dass es ein Leichtes wird, die Artikel mit einer Lizenz auszustatten, welche ihre Weiterverbreitung und ihre Bereitstellung in Online-Archiven ermöglicht, ohne dass die rechtlichen Fragen jedesmal neu geklärt werden müssen – dies ist insbesondere im Hinblick auf die längerfristige Bereitstellung von Publikationen von Bedeutung, denn Texte verschwinden bisweilen von ihrer ursprünglichen Internet-Adresse und Rechteinhaber sind nicht immer ohne weiteres auffindbar. Des weiteren können im Rahmen von Online-Archiven zusammen mit einer Kopie der Artikel auch zusätzliche Meta-Informationen bereitgestellt werden, was die Orientierung der Leser erleichtert und die Auffindbarkeit von relevanten Informationen verbessert. Kurz: Im Bereich der wissenschaftlichen Publikation versprechen die Creative Commons Lizenzen, die rechtlichen Hürden für eine unkomplizierte Verbreitung von Beiträgen zu beseitigen – dazu gehört oftmals auch, vertragsmässig festzulegen, dass der Autor und die ursprüngliche Publikation bei der Bereitstellung von Kopien stets als Quellen genannt werden müssen. Dies entspricht dem Ziel vieler wissenschaftlicher Autoren, das kollektive Werk der Wissenschaft zu fördern, ohne dabei anderen zu ermöglichen, sich mit fremden Federn zu schmücken.

Die Urheberrechts-Politik des soz:mag

Unser Anliegen ist es, das soz:mag möglichst unkompliziert und preisgünstig zur Verfügung zu stellen, um eine möglichst grosse Leserschaft anzusprechen. Dies kommt auch unseren Autoren und Autorinnen zugute, deren Artikel dadurch eine grössere Verbreitung und – hoffentlich – Verwendung finden. In diesem Sinne haben wir seit der ersten Nummer eine Volltext-Version der Artikel auf unserer Website veröffentlicht und werden auch weiterhin den goldenen Weg der offenen Archivierung beschreiten. Wir begrüssen zudem die Initiative von Openlaw [4], die Creative Commons Lizenzbestimmungen ans Schweizer Recht anzupassen, und werden unsere Artikel nunmehr unter einer Urheberrechtslizenz vertreiben, welche das Kopieren und Weiterverbreiten zu nicht-kommerziellem Zweck gutheisst: Gehet hin, werte Leserinnen und Leser, kopieret und gebt die Texte weiter, wie es euch beliebt – ihr tut uns damit einen Gefallen, denn das soz:mag will gelesen werden!

Einen noch grösseren Gefallen tut ihr uns aber, wenn ihr als (künftige) Forscher/-innen eure Artikel und Arbeiten ebenfalls frei zur Verfügung stellt. Und wer weiss, vielleicht lassen sich auch vermehrt etablierte Fachzeitschriften im Namen des freien Ideenflusses auf den goldenen Weg locken – die finanziellen Einbussen dürften sich in den meisten Fällen in Grenzen halten, während der Gebrauchswert durch die Beschleunigung der Zirkulation der Artikel steigt. Die technische Infrastruktur ist da, die juristischen Details sind weitgehend geklärt, die Teilchenbeschleuniger sind sozusagen einsatzbereit – tun wir es den Physikern gleich! [5]

Open Access – Offener Zugang zur referierten Fachliteratur

Open Access to Refereed Journal Articles meint den «unmittelbaren, permanenten, kostenlosen Online-Zugang zu begutachteten Artikeln in wissenschaftlichen Zeitschriften» (Harnad 2004). Open Access soll es erlauben, die Verbreitung von wissenschaftlichen Erkenntnissen zu beschleunigen, indem Zugangsbarrieren beseitigt werden. Damit soll die Wirkung der Forschung gesteigert werden. Das Primärziel ist eine Effizienzsteigerung im Bereich der wissenschaftlichen Kommunikation. Da Autoren und Gutachter von wissenschaftlichen Zeitschriften-Artikeln in der Regel finanziell nicht abgegolten werden, stellt sich die Frage des direkten finanziellen Anreizes zur Produktion von wissenschaftlichen Artikeln nur bedingt. Betroffen sind vom Übergang zum Open Access Modell vor allem die redaktionelle und administrative Tätigkeit sowie die Verbreitung. Was die sprachliche und gestalterische Überarbeitung der Artikel (Lektorat und Layout) sowie die Leitung der administrativen Abläufe (Kommunikation mit den Autoren und Gutachtern, Finanzen, Publikation) betrifft, so müssen allenfalls neue Finanzierungsmöglichkeiten gefunden werden, während die Verbreitung der Artikel in elektronischer Form im Gegensatz zum herkömmlichen Vertrieb nur noch sehr beschränkte Ressourcen in Anspruch nimmt; der Druck der Artikel wird vom Endverbraucher nach Bedarf in eigener Regie durchgeführt.

Als neue Finanzierungslösung für die Produktion von Fachzeitschriften wird folgendes Modell vorgeschlagen: An die Stelle der Bezahlung der Abonnemente durch die Institutionen soll eine Kostenbeteiligung der Autoren bzw. deren Institutionen für jeden eingereichten bzw. publizierten Artikel treten. Im Gegenzug entfallen die Abonnement-Kosten. Alternativ können Fachzeitschriften bei Bedarf weiterhin direkt gefördert werden. Ein Anreiz für den Umstieg auf das Open Access Modell für Autoren, Forschungsinstitutionen und Fachzeitschriften ist die vergleichsweise grössere Zitierhäufigkeit. Für die Forschergemeinde als Ganzes würden die Transaktionskosten vermindert und der Informationsaustausch beschleunigt. Institutionen zur Förderung der Forschung haben demnach ebenfalls ein Interesse am Umstieg auf das Open Access Modell. Da allerdings für etablierte Fachzeitschriften der Umstieg auf ein neues Finanzierungsmodell mit einigem Risiko verbunden ist, dürfte es bei den Fachzeitschriften auch in naher Zukunft nicht zu einem massiven Umbruch kommen. Doch dies ist für den Übergang zum Open Access Paradigma auch gar nicht nötig.

Grün oder Gold

Die Verfechter des Open Access Modells sprechen vom goldenen und dem grünen Weg zur freien Verfügbarkeit von begutachteten Fachartikeln (cf. Harnad et al. 2004). Der goldene Weg (The Golden Road to Open Access) führt über eine aktive Open Access Politik der Fachzeitschriften, wobei diese die publizierten Artikel selbst online kostenlos zur Verfügung stellen und ihre unbehinderte Verbreitung erlauben. Der grüne Weg (The Green Road to Open Access) dagegen basiert auf der Initiative der Autoren, ihrer Institutionen sowie der Einrichtungen zur Förderung der Forschung. Diese haben ein Interesse daran, dass ihre Ideen und Forschungsergebnisse zirkulieren und zitiert werden. Künstliche Zugangsbarrieren zu Fachzeitschriften sind in einer offenen Forschergemeinde kontraproduktiv und gelten im Rahmen des traditionellen Finanzierungsmodells als ein notwendiges Übel, mit dem man sich abfinden muss, um die relativ hohen Produktionskosten der Zeitschriften zu decken. Heute können die Autoren Abhilfe schaffen, indem sie referierte Artikel selbst archivieren. Dies wird von den meisten Fachzeitschriften toleriert – viele lassen es zu, dass Autoren Postprints ihrer Artikel frei im Internet zur Verfügung stellen. Bei anderen haben Autoren die Möglichkeit, einen Preprint zusammen mit allfälligen Korrigenda online zu setzen. Dieses Vorgehen hat den Vorteil, dass die referierten Artikel zirkulieren, ohne dass sich die Fachzeitschriften genötigt sehen, sich dem Risiko eines radikalen und möglicherweise irreversiblen Bruchs in ihrem Finanzierungsmodell auszusetzen. Nicht alle Autoren gehen allerdings spontan zu diesem offenen System über, obwohl sie eigentlich grundsätzlich nichts dagegen hätten. Vor diesem Hintergrund scheint es wünschenswert, dass Institutionen, welche Forschung betreiben oder finanzieren, die offene Archivierung der referierten Fachliteratur aktiv fördern.

Berliner Erklärung über offenen Zugang zu wissenschaftlichem Wissen

Die 2003 in Berlin von zahlreichen Institutionen unterzeichnete „Erklärung über den offenen Zugang zu wissenschaftlichem Wissen“ ist den Grundsätzen der Budapester Initiative (Budapest Open Access Initiative) verpflichtet. Diese wurde 2001 anlässlich eines Treffens in Budapest unterzeichnet, dessen Ziel es war, die internationalen Bemühungen um den freien Online-Zugang zur wissenschaftlichen Fachzeitschriftenliteratur für alle akademischen Felder voranzubringen. Die Budapester Initiative hält fest, dass all jene Literatur im Internet frei zugänglich sein sollte, die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ohne Erwartung, hierfür bezahlt zu werden, veröffentlichen. In diesem Sinne handelt es sich bei der Budapester Initiative um eine Grundsatzerklärung. Zugleich werden zwei komplementäre Strategien skizziert, die es erlauben sollen, das Ziel des offenen Zugangs zu wissenschaftlichem Wissen zu erreichen: Self-Archiving und die Kreation von Open Access Fachzeitschriften (vgl. „Grün oder Gold“).

Im Vergleich zur Budapester Initiative, bei der sich die unterzeichnenden Einzelpersonen und Institutionen relativ unverbindlich zum Open Access Prinzip bekennen, geht die Berliner Erklärung einen Schritt weiter: Die unterzeichnenden Institutionen erklären, dass sie den Übergang zum Open Access Modell durch konkret genannte Massnahmen aktiv fördern werden. Sie verpflichten sich unter anderem, ihre Mitarbeiter und Stipendiaten dazu anzuhalten, ihre Zeitschriften-Artikel offen zugänglich zu machen, die Anerkennung von Open Access Fachliteratur zu fördern und den Aufbau einer gut funktionierenden Infrastruktur für das neue Verbreitungsmodell zu unterstützen. Über 50 Institutionen (Universitäten, Forschungsinstitute, Förderinstitutionen, Bibliotheken, Museen), wissenschaftliche Vereinigungen und Regierungen haben die Berliner Erklärung bereits unterzeichnet – darunter eine ganze Reihe namhafter deutscher Institutionen sowie der FWF (der österreichische Wissenschaftsfonds), die Österreichische Rektorenkonferenz, das CERN und die Universität Zürich.

Creative Commons

Im Gegensatz zur Open Access Bewegung und der Berliner Erklärung ist Creative Commons nicht primär auf die wissenschaftliche Literatur fokussiert, sondern aus dem Bestreben heraus entstanden, das Verhältnis zwischen Schöpfern von Werken, Endnutzern und der Urheberrechtsindustrie in allen kreativen Bereichen (mit Ausnahme des Software-Bereichs, wo ähnliche Lizenzen schon seit längerem verbreitet sind) neu zu definieren. In der Tat hat die Ausweitung der Urheberrechte, gekoppelt mit dem automatischen Entstehen von Urheberrechten bei der Schöpfung eines Werkes, dazu geführt, dass die Werke vieler Kreativschaffender maximalen Urheberrechtsschutz geniessen, obwohl dies vom Urheber nicht unbedingt so gewollt ist. Zusätzlich an Brisanz gewonnen hat das Problem mit dem Aufkommen einer „Remix-Kultur“, wobei Audio- und Video-Inhalte neu arrangiert und unter anderem via Internet weiterverbreitet werden.

Creative Commons will daher Kreativschaffenden, inklusive Wissenschaftlern, helfen, die Nutzungsrechte an ihren Werken auf eine möglichst unbürokratische Weise zu regeln, und möglichst viele Urheber dazu motivieren, ihre Werke der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, damit – auf ihnen aufbauend – wiederum Neues entstehen kann. Dazu stellt Creative Commons den Rechteinhabern ein Set von Urheberrechts-Lizenzen im Baukastensystem zur Verfügung. Jede Creative Commons Lizenz erlaubt das Kopieren, Verteilen und Benutzen des geschützten Werkes, solange die vom Rechteinhaber (Urheber) festgesetzten Bedingungen eingehalten werden. Dieser kann bestimmen, ob eine kommerzielle Nutzung des Werks erlaubt sein soll (ja/nein) und ob das Werk verändert werden darf (ja/nur bei Verwendung derselben Lizenz/nein). Dabei werden die Lizenzbedingungen der gewählten Creative Commons Lizenz in drei Formaten ausgegeben: einer Kurzversion für Laien, dem vollständigen, juristisch einwandfreien Urheberrechtsvertrag sowie einem von Suchmaschinen lesbaren Format.

Unter der Bezeichnung Science Commons wurde bei Creative Commons Anfang 2005 ein neues Projekt lanciert, dessen Anliegen es ist, die Philosophie von Creative Commons auf den wissenschaftlichen Bereich zu übertragen. Neben der Verwendung von Creative Commons Standardlizenzen durch wissenschaftliche Fachzeitschriften steht bei Science Commons die Frage im Vordergrund, wie der freie Fluss von forschungsrelevanten Informationen angesichts von Geschäftsgeheimnissen oder Patenten gewährleistet werden kann. So wird beispielsweise nach Lösungen gesucht, wie sich Rohdaten aus der empirischen Forschung unkompliziert lizenzieren lassen, um sie möglichst vielen Forschern zugänglich zu machen.

Beat Estermann absolviert an der Universität Genf ein Masters of Public Administration und beschäftigt sich derzeit mit Fragen rund um das Zusammenspiel von technologischer Innovation und Entwicklungen im Bereich des Immaterialgüterrechts (Urheberrecht, Patentrecht, etc.).

Anmerkungen

1. Das unweit von Genf auf schweizerischem und französischem Boden gelegene CERN (benannt nach dem 1952 gegründeten Conseil Européen pour la Recherche Nucléaire) ist das weltweit grösste Labor für Teilchenforschung. Derzeit sind die Physiker des CERN dabei, ihren neusten Teilchenbeschleuniger zu bauen. Nach dessen Inbetriebnahme wird eine Informationsflut anfallen, welche die Speicherkapazität und die Rechenleistung von herkömmlichen Supercomputern übersteigt. Das CERN hat daher ein System entwickelt, das so genannte Grid, bei dem eine Reihe von Rechnern dank einer neuartigen Netzwerkarchitektur so koordiniert werden, dass sie gemeinsam leistungsaufwändige Berechnungen durchführen können. Tim Berners-Lee, welcher als der Erfinder des World Wide Web gilt, war von 1984 bis 1994 beim CERN tätig. Heute leitet er das World-Wide-Web-Konsortium und ist Professor am Massachusetts Institute of Technology.

2. Wikipedia: Die freie Enzyklopädie – http://www.wikipedia.org.

3. Für eine Bibliographie der Forschung zur Zitierhäufigkeit siehe: Open Citation Project – http://opcit.eprints.org/oacitation-biblio.html.

4. Openlaw: Plattform für Recht und freie Software – http://www.openlaw.ch

5. Das CERN hat kürzlich im Rahmen der Berlin Declaration angekündigt, die bisherige Rate der freien Veröffentlichung seiner Forschungsergebnisse demnächst von rund 60% auf 100% zu erhöhen.

Literatur

Harnad, S. (1991): “Post-Gutenberg Galaxy: The Fourth Revolution in the Means of Production of Knowledge”. In: Public-Access Computer Systems Review 2 (1): 39 – 53. http://cogprints.org/1580/00/harnad91.postgutenberg.html
Harnad, S., Brody, T., Vallieres, F., Carr, L., Hitchcock, S., Gingras, Y, Oppenheim, C., Stamerjohanns, H. und Hilf, E. (2004): “The Access/Impact Problem and the Green and Gold Roads to Open Access”. In: Serials Review 30 (4) 2004. http://www.ecs.soton.ac.uk/%7Eharnad/Temp/impact.html
Harnad S. (2004): The Green Road to Open Access: A Leveraged Transition. http://www.ecs.soton.ac.uk/~harnad/Temp/greenroad.html

Weblinks

Creative Commons – http://www.creativecommons.org
Budapester Initiative – http://www.soros.org/openaccess
Berliner Erklärung und Folgekonferenzen – http://www.zim.mpg.de/openaccess-berlin
Software und Hintergrundinformationen zum Thema Self-Archiving – http://www.eprints.org

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«Es waren fragmentarische Forschungen, von denen letztlich keine vollendet wurde, ja nicht einmal Folgen hatte, zugleich zerstreute [...]. All das schleppt sich hin, geht nicht vorwärts, wiederholt sich und bildet kein zusammenhängendes Ganzes; im Grunde sagt es beständig das Gleiche, doch sagt es vielleicht auch gar nichts aus. In zwei Worten: es ist nicht schlüssig.»

Michel Foucault (1977): Intervista a Michel Foucault, in: A. Fontana / P. Pasquino (Hg): Microfisica del Potere: Interventi plitici, Turin, S. 55f.